Sozialgericht Berlin, Urteil vom 28.04.2015, S 208 KR 466/13
Rechtsanwältin Breitwieser erzielt Urteil im Statusfeststellungsverfahren zugunsten der Editorin.
Mit Urteil vom 28.04.2015 entschied das Sozialgericht Berlin im Streit mit der Deutschen Rentenversicherung, dass die Klägerin als Cutterin/Editorin für einen (ursprünglich als Fernsehfilm konzipierten) Kinospielfilm nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterlag.
Im Jahre 2011 schloss die Editorin einen Werkvertrag mit der Produktionsfirma zum Erstellen des „Schnittes“ bei einem damals als Fernsehspiel geplanten abendfüllenden Spielfilms von 90 Minuten. Die Parteien vereinbarten eine Pauschalgage.
Im dem 2011 eingeleiteten Statusverfahren vor der Clearingsstelle der Deutschen Rentenversicherung wurde eine abhängige Beschäftigung festgestellt, da die Editorin in den – trotz eigenem üblicherweise angemietetem Schneideraum – in die Arbeitsorganisation der Filmproduktion eingegliedert sei und nur in geringem Maße künstlerisch tätig gewesen sei. Die Editorin sei nicht programmgestaltend tätig, sondern arbeite eher an der technischen Ausführung. Auch die Widerspruchsbehörde half nicht ab.
Dagegen konnte sich die Editorin erfolgreich mit ihrer Klage wehren.
Das Urteil des Sozialgerichts geht zutreffend in erster Linie auf die vertraglichen Bestimmungen ein, nach denen sich das Verhältnis zwischen den Parteien neben den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt.
Die Kammer stellte fest, dass die DRVB in dem von der Editorin eingeleitetem Verfahren gemäß § 7a SGB IV über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung so wie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entscheiden habe. Beurteilungsmaßstab hierfür sei § 7a SGB IV. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzte eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei.
Bei einer Beschäftigung in fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassende Weisungsrechts des Arbeitgebers unterliege.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch eigenes unternehmerisches Risiko, eine eigene Betriebsstätte und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob eine Beschäftigung vorlieget, beurteile sich nach dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus der gelebten Beziehung erschließen lässt.
Danach läge keine abhängige Beschäftigung der Editorin für den streitgegenständlichen Produktion des Filmes „……“ vor. Die getroffenen vertraglichen Regelungen sprächen dagegen. Die Parteien hätten einen „Werkvertrag“ geschlossen, es sei ein Pauschalhonorar gegen Rechnungsstellung zzgl. MwSt. vereinbart worden, die Editorin habe zudem keinen Anspruch auf Urlaub oder sonstige Sozialleistungen. Weisungsrechte oder aber die Eingliederung in den Betrieb der Filmproduktion seien dem Vertrag nicht zu entnehmen. Die Parteien wollten erkennbar keinen Arbeitsvertrag schließen, sondern sind übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen.
Die sonstigen tatsächlichen Verhältnisse widersprächen dieser Vereinbarung nicht, sondern würden ebenfalls nicht für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Dass die Editorin Rücksprache mit dem Regisseur hielt und nach Beendigung der Dreharbeiten und Vorlage der vollständigen Schnittfassung in Absprache mit dem Regisseur Szenen umgeschnitten habe oder zeitliche Abläufe umgestellt worden seien, begründe noch keine Weisungsgebundenheit. Im Übrigen stimme die Darstellung des Berufsbildes mit der des Bundesverbandes Filmschnitt Editor e.V. überein. Die Klägerin sei beim „Schneiden“ selbst allein gewesen.
Das Gericht sah auch das unternehmerische Risiko der Editorin gegeben, da ihre tatsächliche Arbeitszeit keinen Einfluss auf die Höhe ihrer Vergütung habe. Dies entspreche dem typischen Bild einer Werk- oder freien Dienstvertrages im Sinne der §§ 611 oder 631 BGB.
Die Einordnung als selbständige Tätigkeit stehe letztlich auch im Einklang mit dem Abgrenzungskatalog der Spitzenorganisation der Sozialversicherungsträger für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen, der zwar keine Bindungswirkung entfalte, aber nach Anhörung der maßgebenden Interessenverbände aus dem künstlerischen Bereich entwickelt worden sei und als Auslegungshilfe herangezogen werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.07.2008 – L 2 U 211/07).
Danach seien Editoren/Cutter selbständig tätig, wenn sie für eine Produktion einzelvertraglich verpflichtet werden und der eigenschöpferische Teil der Leistung überwiege. Beides sah das Gericht vorliegend für gegeben an.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Anm. der Verfasserin:
Produktionen sowie selbständige Editoren/Cutter sollten künftig um das Problem langfristig zugunsten der Film- und Kulturschaffenden zu lösen, Verträge von einem entsprechend spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen. Es sind bestimmte Punkte zu beachten, an denen es derzeit leider mangelt, da die verwendeten Vertragsvorlagen meist „zusammengesetzt“ und/oder zu alt sind und das sich manifestierende Problem des „Status“ nicht berücksichtigen. Leider öffnen gerade die Schwächen in diesen Verträgen der Rentenversicherung Tür und Tor.
Ebenso sollten Editoren/Cutter/Filmschnittmeister das Statusfeststellungsverfahren nicht scheuen, wenn sie bereits langfristig in ihre private Altersvorsorge investiert haben.