29 Juli 2020

SG Berlin – S 122 BA 199/18, Urteil vom 17. September 2019

Manuela Breitwieser

Selbstständigkeit Bildgestalter in serieller Studioproduktion              

 

Der Kläger wurde von der Beigeladene zu 1., einer Produktionsfirma, in 2018 und 2019 für vier Staffeln einer etablierten Kinderserie in freier, künstlerischer Arbeit als Bildgestalter / DoP im Rahmen von einzelnen Werkverträgen beauftragt, die audiovisuellen Aufnahmen zu konzipieren. Bei der Produktion handelte es sich um eine 100 % Auftragsproduktion eines öffentlich-rechtlichen Senders, die ausschließlich im Studio vor Greenscreen gedreht wurde. Die verschiedenen Tätigkeiten des Klägers waren jeweils Gegenstand von insgesamt vier Verfahren, die aufgrund des hier bezeichneten Urteils alle zugunsten des Klägers entschieden werden konnten.

Gegenstand der Beauftragung war u.a. die Vorbereitung der Produktion in künstlerischer und organisatorischer Hinsicht unter Zugrundelegung des Drehbuchs, im Rahmen der Produktionsmittel und der vorgesehenen Termine. Dies umfasste auch Vorgespräche mit Regie, Produktion, Ausstattung, Kostüm und Maskenbild.

Dem branchenspezifischen Berufsbild „Kamera“ entsprechend umfasste die Tätigkeit des Klägers als Bildgestalter/ DoP das gestalterische Gesamtkonzept der Visualisierung, die Drehbuchauflösung in Zusammenarbeit mit Regie, Licht- & Farbkonzept, die Mitwirkung bei der Erstellung des Drehplans und der Kosten-Kalkulation (Kamera und Licht), die Dreharbeiten gemäß Drehplan sowie das Supervising der VFX Aufnahmen.

Die vertragliche Ausgestaltung entsprach eindeutig den gesetzlichen Regelungen des Werkvertrages bzw. einem Urhebervertrag. Der Vertrag enthielt Regelungen, die bereits nach ihrem offenkundigen Wortlaut für die Absicht der Beteiligten sprechen, eine „in freier, künstlerischer Arbeit als Bildgestalter“ selbstständige Tätigkeit zu begründen, die in der Erbringung der aufgeführten Werkleistungen gegen Zahlung einer erst nach Abnahme fälligen Vergütungspauschale für das Gesamtwerk unabhängig vom Zeitaufwand in eigenverantwortlicher technischer und organisatorischer Umsetzung bestand.

Zutreffend bestätigt das Gericht die Auffassung des Klägers, dass der Bildgestalter als Miturheber des Filmwerkes nicht in den Betrieb der Beigeladenen integriert ist. Als werkvertragstypisch wird auch das regelmäßig äußerst umstrittene Letztentscheidungsrecht der Beigeladenen zu 1) als Ausprägung des Urhebervertragsrechts rechtlich zutreffend bewertet. Aus Sicht der Kammer stelle auch insbesondere die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung kein Merkmal für eine abhängige Beschäftigung dar, da im Kreativbereich gerade die individuelle Arbeit einer bestimmten Person eingekauft werde und genau diese individuelle Leistungserbringung Inhalt der Kreativleistung sei.

Das Gericht zieht auch das Merkmal des programm-gestaltenden Mitarbeiters heran (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77).

Der Kläger habe keinen inhaltlichen Weisungen zur Ausübung seiner Kameratätigkeit unterlegen. Zwar sei natürlich der „Look“ der Serie vorgegeben und es habe ein Storyboard gegeben. Dies seien jedoch nur Rahmenvorgaben, die Einhaltung habe in der Verantwortung der Producerin gelegen. Das Gericht sei in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die besondere künstlerische Leistung des Klägers darin bestanden habe, die drei Ebenen der Figur, dem Hintergrund und dem agierendem Schauspieler / der agierenden Schauspielerin zusammenzufügen und ein stimmiges verständliches Bild zu entwickeln. Für diese konkrete Umsetzung der visuellen Bildgestaltung gäbe es keine Vorgaben, der Kläger arbeite bei der Kameraführung und Bildzusammenführung nicht nach Weisungen.

Die Kammer habe in der mündlichen Verhandlung überzeugend den Eindruck gewonnen, dass der Kläger seine individuelle künstlerische Befähigung in die Bildgestaltung einbringe, so dass von einer programmgestaltenden Mitarbeit des Klägers ausgegangen werden könne. Dem Kläger habe ein erheblicher künstlerischer-eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zugestanden, indem er die Kameraführung, das Licht und das konkrete Zusammenspiel der drei Ebenen komponierte. Die Tätigkeit des Klägers habe sich nicht in einem rein technischen Filmaufnahmevorgang erschöpft, sondern er war maßgeblich für die künstlerische Gestaltung der Serie verantwortlich.

Die übrigen Kriterien, das Unternehmerrisiko und die mangelnde Eingliederung in einen fremden Betrieb, zeigten in der Gesamtabwägung klar, dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe. Das gemietete Studio habe ebenso wie die hinzugezogene Technik nicht im Eigentum der Produktionsfirma gestanden.

In dem Urteil werden gleich zwei – in der Praxis der Statusfeststellungsverfahren – höchst umstrittene und problematische Punkte im Sinne von selbstständigen Filmschaffenden entschieden – zum einen wird die Eingliederung des Kameramannes während der Filmproduktion in den Betrieb des Filmherstellers klar verneint und zum anderen wird die programm-gestaltende Tätigkeit, die künstlerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen von Sendereihen, die regelmäßig seitens der DRV nicht anerkannt wird, durch das Urteil bestätigt.

Die Verfasserin hat die Verfahren geführt.