1 November 2015

Bundesverfassungsgericht Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 – zur Vereinbarkeit der Filmabgabe, § 66 FFG mit dem GG

Manuela Breitwieser

2004 wendeten sich gleich drei Betreiber von „Cineplex“ – Kinos in Berlin gegen die Abgabebescheide der Filmförderungsanstalt zur „Filmabgabe“.

Sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (2007) wie auch das durch die zugelassene Sprungrevision angerufene BVerwG wies die Klagen als unbegründet ab. Daraufhin erhoben die Cineplex-Betreiber Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die gesamte Filmbranche in Deutschland hielt den Atem an als im Herbst 2014 der Verhandlungstermin in Karlsruhe stattfand – nicht nur die Deutsche Filmförderung und damit die Struktur der deutschen Filmindustrie stand auf dem Prüfstand – sondern die Zukunft der gesamten Branche.

Die Betreiber griffen nicht die Rechtmässigkeit der Bescheide an sich an, sondern hielten die ihnen zugrunde liegende Gesetzesgrundlage des § 66 FFG, der die Filmabgabe regelt, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Kläger argumentierten unter anderem, dass sie in ihrem Programm nur amerikanische Filme zeigen wollen würden, deutsche Filme wolle – eben wegen der im FFG normierten Förderkriterien der „kreativ-künstlerischen Qualität“ niemand sehen. Das Publikum bevorzuge „Block-Buster“ und leichte Unterhaltung, die wegen des fehlenden künstlerischen Anspruchs keine Förderung erhielten. Damit würden sie auch nicht  nicht von der Abgabe, die sie leisten müssten, profitieren.

Die Beschwerden wurden auf eine fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gestützt, da Sinn und Zweck des Filmförderungsgesetz neben der Wirtschaftsförderung auch die Förderung der deutschen Kultur sei, die fiele aber in die Gesetzgebungskompetenz der Länder.

Die qualitätsbezogene Förderung könne auch nicht dem wirtschaftlichen Erfolg des deutschen Filmes dienen. Dem Gesetzgeber ginge es nicht um die Zielvorgabe der Wirtschaftseinheit, sondern um die Erhaltung der kulturellen Vielfalt des deutschen Films.

Erfolgreiche deutsche marktgängige Filme seien aber ausschließlich „leichte Kost“, die ohne eine Filmförderung produziert werden würden.

Ein möglicher Zusammenbruch der deutschen Filmindustrie ohne die Förderung könne die Verwendung der Mittel auch nicht als gruppennützig rechtfertigen. Aus einem Marktanteil deutscher Filme von 10 bis 17 % könne nicht der Schluss gezogen werden, der Wegfall des entsprechenden Angebots hätte wirtschaftliche Effekte. Jeder deutsche Film sei durch ausländische Filme ersetzbar (BVerfGE Rn. 55).

Die Doppelnatur des Produktes „Film“ als Wirtschafts- und Kulturgut.
Der deutsche Bundestag betonte in seiner Stellungnahme vor allem die besondere Finanzierungsverantwortung, die sich aus einer schwachen Eigenkapitaldecke, gestiegenen Kosten der Filmwirtschaft und der Dominanz des US-amerikanischen Films ergebe. Der deutsche Film würde ohne die staatlichen Förderungsmöglichkeiten nur eine marginale Rolle spielen.

Die Ausrichtung auf den Qualitätsfilm sei ökonomisch erfolgversprechend.

Bund und Länder sind dabei gleichermaßen der Überzeugung, dass die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films nach § 1 FFG nicht selbständiges Förderziel, sondern vielmehr Mittel und Ziel für einen filmwirtschaftlichen Erfolg im In- und Ausland sei.

Das Argument der Ersetzbarkeit deutscher Filme sei unplausibel, weil die Cineplex-Betreiber schließlich freiwillig geförderte Filme spielen würden und für jeden gezahlten Euro der Filmabgabe 8 bis 12 Euro Umsatz machen würden.

Der Marktanteil deutscher Filme bewege sich seit den 2000er Jahren stets zwischen 12 und 26 %. Diese Filme zögen ein spezifisches Publikum an, das dem Kino sonst verloren ginge. (BVerfGE Rn. 80)

Genau hier sieht der deutsche Bundestag auch die Finanzierungsverantwortung der Nutznießer der deutschen Filmproduktionswirtschaft. Kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seien in der Filmwirtschaft besonders eng und existenziell miteinander verbunden.

Die Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab. Es sah weder Normen des FFG als verfassungswidrig an noch Grundrechte der Kinobetreiber verletzt.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde bestätigt, Film sei ein handelbares Wirtschaftsgut und die ihn produzierenden und verwertenden Wirtschaftszweige reguliere das Filmförderungsgesetz.

Das Recht der Wirtschaft
Der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FFG 2004 weist der Filmförderungsanstalt die Aufgabe zu, die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für seinen Erfolg im Inland und im Ausland zu fördern.

Die auf Qualitätskriterien abstellenden zahlreichen Förderregelungen sah das BVerfG nicht als Verdrängung der Ausrichtung auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Films, sondern als Bestandteil dieser Ausrichtung.

In § 32 Abs. 1 Satz 1 FFG 2004 ist als Voraussetzung für die Projektfilmförderung normiert, dass der zu fördernde Film geeignet erscheinen muss, die Wirtschaftlichkeit des deutschen Films zu verbessern.

Im System Referenzfilmförderung sah das BVerfG auch keine Abkehr von der wirtschaftlichen Erfolgsorientierung der Produktionsförderung, vielmehr zielten die Förderstrategien darauf ab –  dem im Einzelfall nie sicher bestimmbaren – künstlerisch-kreativen Erfolgsfaktor Raum zu geben und seien damit langfristig auf den wirtschaftlichen Erfolg angelegt.

Das wirtschaftliche Interesse der Kinowirtschaft am deutschen Film sei auch durch den Marktanteil von 23,8 % eindeutig erkennbar (Filmförderungsanstalt, FFA-info – Zahlen aus der Filmwirtschaft 1/2012, S. 14: gemessen an den Kinobesucherzahlen mit Schwankungen zwischen 11,9 % (2002) und 27,4 % (2009) und insgesamt steigender Tendenz).

Die schwierigen Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis zur US-amerikanischen Konkurrenz und die Schwierigkeiten des Zugangs zu privatem Filmfinanzierungskapital seien nicht zu widerlegen (vgl. BTDrucks 15/1506, S. 18; zur insoweit unveränderten Lage BTDrucks 17/12370, S. 13).

Die Kinobetreiber und auch alle anderen Verwerter haben ein Interesse an der Förderung und genau damit ist auch der Gruppennutzen der Filmabgabe begründet.

Von einer wettbewerbsverzerrenden Umverteilung könne dabei nicht ausgegangen werden, die Förderung ist auf Struktursicherung und Strukturverbesserungen im Interesse einer bundesweit attraktiven Kinolandschaft gerichtet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG 2004).